Sie unterrichten auf Zoom, ziehen wieder zu den Eltern oder wechseln ganz den Job: Musikerinnen und Musiker ohne Auftrittsmöglichkeit leiden besonders unter Corona. Fünf erzählen, warum sie das dennoch als Chance begreifen.

Abgesagte Tourneen, Festivals und Konzerte – Musiker und andere Kulturschaffende hat es in der Pandemie besonders hart getroffen. Allein durch gestrichene Livemusik-Veranstaltungen kam es laut dem Branchenmagazin »Pollstar« weltweit zu Verlusten von über 30 Milliarden US-Dollar.

Hinter dieser Zahl stehen zahlreiche Musiker, die sich von klein auf darauf vorbereitet hatten, um die Welt zu reisen und vor Publikum aufzutreten. Wegen des Coronavirus waren ihre Terminkalender auf einen Schlag leer, das stellte sie vor die Frage, wie sie mit dieser schwierigen Situation und der Ungewissheit umgehen sollen – und wann diese sich wohl ändern wird.

Dass Kunst und Kultur in vielen Ländern nicht als systemrelevant eingestuft wurden, stürzte einige Künstler in eine regelrechte Sinnkrise: Wenn die Welt keine Kunst braucht, hat das, was sie tun, überhaupt einen Wert? Andere fanden neue Wege, Musik zu machen und Menschen in der Pandemie Hoffnung durch Musik zu schenken, online oder an ungewöhnlichen Orten wie einem Kaufhaus-Schaufenster.

Der SPIEGEL hat fünf junge Musiker und Musikerinnen aus den USA, Deutschland, Lettland und Südafrika gefragt, wie sie die Pandemie erleben.

Sophia Bacelar, 25, Cellistin in New York

»Ende Januar 2020 saß ich als Gast bei den Grammy Awards, weil ich gerade Botschafterin des zugehörigen Musikbildungsprogramms geworden war. Kurz darauf sollte ich mit dem Komponisten Hans Zimmer auf Tour gehen, und mein Debüt in der Carnegie Hall war für Dezember angesetzt. Meine Karriere ging also gerade steil bergauf, als die Pandemie mit einem Schlag meinen Terminkalender leerfegte. Als entschieden wurde, dass Musik nicht systemrelevant ist, stellte ich meinen bisherigen Lebensweg komplett infrage. Ich spiele Cello, seit ich zwei Jahre alt bin, mit 10 begann ich an der Juilliard School in New York klassische Musik zu studieren, mit 20 spielte ich ein Solokonzert in der Berliner Philharmonie. Wenn Menschen ohne Musik leben können, hatte das, was ich tat, überhaupt einen Wert oder war es vielleicht überflüssig? Ich war deprimiert und entschied, auch aus finanziellen Gründen, für eine Zeit zurück zu meinen Eltern zu ziehen.

Ende Oktober trat ich das erste Mal wieder vor einem ›Publikum‹ auf, der Filmcrew des Violin Channel, für den ich ein Online-Konzert aufnahm. Ich merkte, wie sehr mir das gefehlt hatte, weil Musik meine Art ist, mit Menschen zu kommunizieren. Im März dieses Jahres durfte ich als Teil einer Konzertreihe im Schaufenster des Kaufmann Cultural Center in New York spielen.

Ende Oktober trat ich das erste Mal wieder vor einem ›Publikum‹ auf, der Filmcrew des Violin Channel, für den ich ein Online-Konzert aufnahm. Ich merkte, wie sehr mir das gefehlt hatte, weil Musik meine Art ist, mit Menschen zu kommunizieren. Im März dieses Jahres durfte ich als Teil einer Konzertreihe im Schaufenster des Kaufmann Cultural Center in New York spielen.

Florian Brettschneider, 24, Gitarrist in Frankfurt am Main

Foto: Anika Maierhöfer

»Die Pandemie hat mich eigentlich erst vor einem Monat emotional erwischt. Da habe ich mich zum ersten Mal gefragt, wie lange ich noch darauf warten werde, mein früheres Leben als Gitarrist, Produzent und Komponist wieder aufnehmen zu können. Vor der Pandemie hatte ich jährlich um die 150 Auftritte mit verschiedenen Ensembles, auf Open Airs, als Begleitung von Sängern, aber auch auf Hochzeiten und Firmenveranstaltungen. Ich spielte in Europa und Südamerika. Zum Glück habe ich dabei viel gespart und konnte im letzten Jahr davon leben, denn mir fehlen durch die abgesagten Live-Auftritte 90 Prozent meines Einkommens. Obwohl ich bis zum letzten Jahr klassische Musik an der Musikhochschule Frankfurt studiert habe, liebe ich es, verschiedene Genres wie Jazz, Pop oder Klassik zu mischen.

Da ich jetzt mehr Zeit habe, habe ich mir ein Schlagzeug gekauft und bringe mir selbst das Spielen bei. Auch produziere ich viel mehr in Studios als sonst und kann so ab und zu einige Gitarrenspuren verkaufen. Natürlich vermisse ich das Publikum. Das spürte ich auch, als ich vor einem Monat in einem Ferienklub auf Fuerteventura auftrat. Noch mehr fehlt mir allerdings, mit anderen gemeinsam Musik zu machen. Ich kann mir heute kaum vorstellen, dass ich mal mit Stars wie Jazzklarinettist Giora Feidmann auf einer Bühne stand. Für Menschen, die gar keine Musik mehr hören, muss es noch schlimmer sein. Im Februar dieses Jahres nahm ich ein Video-Konzert mit meinem Kollegen Christian Hoeper auf. Es wurde in einem Wohnheim für geistig Behinderte gezeigt. Nach der Pandemie gehen wir wieder selbst vorbei.«

Den ganzen Text gibt es auf spiegel.de