Dieser Beitrag erschien zuerst auf wired.de

Die chinesische Regierung fälscht laut einer neuen Studie jährlich fast 500 Millionen Social-Media-Posts, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Das soll psychologisch besser funktionieren als klassische Zensur. 

Schon lange vermuten Experten, dass die Kommunistische Partei in China bis zu zwei Millionen Online-Propaganda-Helfer einsetzt, um die öffentliche Meinung in sozialen Medien zu infiltrieren. Eine neue Harvard-Studie bestätigt das jetzt. 500 Millionen Posts im Jahr, einer von 178 Beiträgen in Chinas Mikro-Blogs, stammt demnach von  sogenannten „Fifty-Cent-Arbeitern“. Die heißen so, weil sie angeblich 50 Cent für jeden Fake-Post von der Regierung gezahlt bekommen.

Die Autoren der Studie werteten Dokumente und Tabellen von einer Regierungsbehörde in Südost-China aus, die im Jahr 2014 geleaked wurden. Das Team identifizierte „Fifty Cent Arbeiter“, indem sie die Namen in Emails mit Social-Media-Profilen abglichen.

Bisher vermuteten die Forscher, dass die Regierungshelfer vor allem Kritiker attackieren und sich über andere Regierungen lustig machen. Dafür gebe es aber keine empirische Grundlage, schreiben sie jetzt. Oft lobten die Fifty Cent Arbeiter zwar die kommunistische Partei, häufiger aber versuchten sie, das Thema in einer Online-Diskussion zu wechseln. Das ergebe auch Sinn. „Auf diese Weise eine Diskussion zu beenden, funktioniert in der Regel viel besser, als jemanden zu provozieren“, heißt es in der Studie.

Diese Ablenkungs-Taktik hat auch psychologische Gründe. In den letzten Jahren hat China verstanden, dass klassische Zensur und die Bedrohung von Journalisten und Intellektuellen für sich alleine nicht ausreichen. Die gefälschten Kommentare manipulieren die öffentliche Meinung effektiv, ohne dass Bürger das Gefühl haben, sie würden zensiert. Experten sprechen bei dieser neuen Art von Kontrolle im Internet von „smarter Unterdrückung“.

Auch der Zeitpunkt, zu dem die Fake-Posts veröffentlicht werden, scheint koordiniert zu sein. Die Beiträge werden laut Studie in der Regel dann gepostet, wenn sich am meisten Menschen in den sozialen Medien aufhalten, nach einem Protest etwa, oder wenn ein umstrittenes Thema viral geht.

China ist nicht das einzige Land, in dem das Meinungsbild durch Online-Propaganda gezielt verzerrt wird. Auch in Russland setzt die Regierung professionelle Trolle ein, um Putin-freundliche Stimmung im Internet zu verbreiten. Ein ehemaliger Kreml-Troll berichtete von einem Bürogebäude in Sankt Petersburg, in dem rund 400 Mitarbeitern 24 Stunden am Tag beschäftigt seien. Was zu schreiben sei, werde den Troll-Soldaten vorgegeben und sei präzise choreographiert.