Die WIRED startet heute erneut in Deutschland als Magazin und mit neuem Gesamtkonzept. Chefredakteur Nikolaus Röttger im Gespräch.

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Ab heute erscheint WIRED Germany mit neuer Webseite und zehnmal im Jahr als Magazin. Zum Gesamtkonzept gehören auch ein kostenpflichtiges Membership-Modell und eine Eventreihe. WIRED Germany Chefredakteur Nikolaus Röttger sprach mit Netzpiloten.de über die Bestandteile der Marke WIRED, die “Generation Y Not”, Finanzierungsmodelle und die Vermittlung einer zukunftsoptimistischen Grundhaltung.

Weiterführende Lesetipps zum Start von WIRED Germany:

  • Hier gibt es eine Einschätzung zum neuen Konzept von Christina zur Nedden.
  • Eine Rezension der Erstausgabe von Tobias Schwarz kann man hier lesen.

Christina zur Nedden: Die WIRED gibt es nicht zum ersten Mal in Deutschland. Wieso wurde sie eingestellt und was wird diesmal anders gemacht?

Nikolaus Röttger: Wir waren im Grunde nicht weg, weil wir noch gar nicht richtig da waren. Die ersten deutschen WIRED Magazine waren Testausgaben, mit denen der Verlag herausfinden wollte, ob und wie WIRED auf dem deutschen Markt funktioniert. Die deutsche WIRED wurde somit nicht eingestellt, sondern die Testphase wurde beendet und auf dieser Basis eine Gesamtstrategie entworfen, die weitaus mehr bietet, als nur das Magazin.

Woraus besteht euer neues “medienübergreifendes Konzept”?

Am 21. Oktober starten wir nicht nur das Magazin, sondern die gesamte Markenwelt von WIRED in Deutschland. Dazu gehören eine Webseite mit einem Membership-Modell, Member-Events sowie Weiterbildungsangebote in Kooperation mit dem schwedischen Schulungsinstitut Hyper Island. Unsere Geschichten werden über alle Kanäle hinweg geplant und kommuniziert.

Was erwartet den Leser auf der neuen Webseite und wie funktioniert das Membership-Modell?

Bei der Konzeption von WIRED.de haben wir uns stark an den Interessen der User orientiert. Ein Grundprinzip sind die sogenannten „Collections“ – die Inhalte gemäß einem Spotify-ähnlichen Modell von Playlists strukturieren. Später werden Leser ihre Lieblingsthemen aus verschiedenen „Collections“ auswählen können und haben somit die Möglichkeit, die Inhalte zu personalisieren. Da die Leser von WIRED.de vermutlich viel auf ihrem Smartphone lesen, wurde im ersten Schritt das mobile Design und dann die Gesamtfunktionalität der Webseite entwickelt. Das digitale Design nimmt an einigen Stellen auch Bezug auf das Layout des Magazins.

Unser Membership-Modell WIRED+ macht die Inhalte des Magazins – teils sogar schon vor dem Erscheinungsdatum – digital auf allen Endgeräten zugänglich. Mitglieder können auch online-exklusive Artikel und Multimedia-Reportagen wie zum Beispiel eine Dokumentation über einen Arzt, der in Afrika den Supercomputer „Watson“ zur gezielteren Diagnose von Tuberkulose einsetzt, lesen und diese für Freunde freischalten. Eine Mitgliedschaft kostet 45 Euro im Jahr. WIRED+ Mitglieder erhalten das Magazin nach Hause geliefert und zugleich Zutritt zur gesamten WIRED-Welt – zum Beispiel auch bevorzugte Einladungen zu unsere Veranstaltungen und Konferenzen.

WIRED Leser sind vermehrt digital unterwegs. Wie werden sie online mit eingebunden?

Natürlich gibt es auf WIRED.de Diskussionsfunktionen, wie die Möglichkeit, Artikel zu kommentieren. Die “Collections” werden Schritt für Schritt ausgebaut, so dass sich Leser irgendwann ihre Inhalte selbst zusammenstellen können.

Wir möchten gemeinsam mit unseren Nutzern herausfinden, wie man unser Angebot fortlaufend weiterentwickeln kann. Durch ständiges Testen und Ausprobieren steht unsere Arbeit unter dem Motto “Always in Beta”.

Wie unterscheidet sich die WIRED Germany von WIRED Ausgaben anderer Länder?

Der Markenkern ist überall identisch, jedes Land hat aber einen eigenen Ansatz und eine spezielle Tonalität. So gibt es zum Beispiel Unterschiede in der Ressortaufteilung des Magazins. In der US-Ausgabe heißen die Ressorts “Alpha”, “Ultra”, “Q” und “Gadget Lab”. Die deutsche WIRED beginnt mit dem Ressort “Kosmos”. Hier erwartet die Leser das ganze WIRED-Universum in kleinen Geschichten. “Skills” versammelt kuriose und praktische Lebensfragen und “Play” behandelt Themen aus Kultur und Gesellschaft. Im Ressort “Gadgets” stellen wir aktuelle Techniktrends und Produkttests vor. In der neuen Rubrik “Ding Dong” besuchen wir junge Gründer und Creative Technologists in ihren Büros, “WIRED Matrix” erklärt das WIRED-Universum als Infografik und in “Die Idee meines Lebens” werden Gründer und Wissenschaftler vorgestellt.

Das amerikanische WIRED Magazin besteht zum großen Teil aus Werbung. Das deutsche auch?

Natürlich finanzieren wir uns auch in Deutschland über Werbung. Wir achten aber darauf, dass man beim Durchblättern nicht von Werbung gestört oder unterbrochen wird, Werbung soll respektvoll gegenüber dem Nutzer sein und er soll beim Lesen nicht von blinkenden Bannern gestört werden. Grundsätzlich besteht unser Finanzierungsmodell aus vier Säulen: Advertising, dem Membership-Modell, Events und Konferenzen und unseren Angebot zum Thema Education.

Mit Events und Bildungsworkshops verdient man Geld. Wird WIRED Germany hauptsächlich ein Service–Anbieter, der auch ein Magazin herausgibt?

Das Redaktionelle bleibt unser Kerngeschäft. Der digitale Wandel findet jedoch nicht nur auf einer Plattform statt. Wir wollen die Markenwelt der WIRED in Deutschland auf verschiedenen Kanälen aufbauen und unsere Nutzer an der Marke teilhaben lassen. WIRED soll ein Kompass für die Welt im Wandel sein, daher nutzen wir mehrere Plattformen, um für unsere Nutzer die Informationsflut rund um neue Entwicklungen einzuordnen.

WIRED in den USA spricht die digitale Generation und Geeks an. Was ist die Zielgruppe von WIRED Deutschland?

WIRED Germany ist eine General-Interest-Marke für eine Leserschaft, die wir „Generation Y not“ nennen. Diese Zielgruppe ist Innovationen gegenüber aufgeschlossen. Sie fragt nicht „Warum?“ sondern „Warum nicht“, stellt damit Etabliertes in Frage und will selber gestalten. Die Generation Y not hat unserer Meinung nach kein bestimmtes Alter. Digitalisierung und Technologie sind im Mainstream angekommen und haben einen Einfluss auf viele Gesellschafts- und Lebensbereiche. Unsere Themen sind somit für jeden relevant.

WIRED Germany will ihren Lesern eine zukunftsoptimistische Grundhaltung vermitteln und launcht zum Start eine Kampagne mit dem Titel „Zukunft ist Einstellungssache“. In Deutschland steht man Technologie zum Teil gerade sehr kritisch gegenüber. Wie ändert die WIRED diese Einstellung?

WIRED nimmt diese Bedenken und Debatten ernst und führt sie selbst weiter fort. Trotzdem möchten wir Geschichten ohne “German Angst” erzählen, sondern reflektiert und zukunftsoptimistisch. Natürlich beleuchten wir Themen aus einer deutschen Perspektive, glauben aber dass unsere Leserschaft sehr international denkt.

Wieso hat WIRED entschieden sich besonders im Bereich Bildung in Deutschland zu spezialisieren? Wissen die Deutschen zu wenig über den digitalen Wandel?

Nein, ich denke, dass jeder davon profitieren kann sich im Bereich Digitalisierung und neue Technologien fortzubilden. Viele Unternehmen fangen jetzt erst an, sich mit dem digitalen Wandel zu beschäftigen, der wahnsinnig schnell ist. Während auf dem Cover der ersten Wired Ausgabe 1993 noch eine CD-ROM gefeiert wurde, sind es heute digitale Musikdienste wie Spotify, die relevant sind. Ich habe 1998/99 bei Yahoo gearbeitet. Meine Jobbeschreibung war „Surfer“ und ich half dabei, das Web zu katalogisieren. Heute ist Google Marktführer aber wer sagt denn, dass das so bleibt? Vielleicht baut irgendjemand in einer Garage schon etwas, dass Google vom Markt vertreiben wird. Unternehmen müssen sich der Schnelligkeit dieser Entwicklungen bewusst sein und sich konstant weiterentwickeln.

Hyper Island ist ein international arbeitendes, schwedisches Schulungsinstitut, das darauf spezialisiert ist, Menschen und Unternehmen das Wissen zu vermitteln, um Innovation selbst zu gestalten. Ab 2015 werden wir gemeinsam sowohl Kurse, die für Einzelpersonen zugänglich sind, als auch maßgeschneiderte Master Classes für Unternehmen anbieten. Bei Letzterem wird natürlich speziell auf die digitalen Aspekte des unternehmerischen Wandels eingegangen.

Die ersten WIRED Ausgaben in Deutschland erschienen als Beilage der GQ. Die US Ausgabe hat größtenteils männliche Leser. Sind Technologie und Digitalisierung Männerthemen? Wie gewinnt WIRED in Deutschland weibliche Fans?

Unsere Themen sind per se unisex. Es wäre großartig, wenn wir dieses Gleichgewicht auch bezüglich unserer Leserschaft erreichen.

Was nehmen Sie von Gruenderszene.de und Business Punk mit zu WIRED Germany?

Ich habe Erfahrungen im Online- und Printbereich gesammelt und freue mich jetzt mit WIRED Germany diese beiden Kanäle und auch weitere wie Konferenzen und Events miteinander zu fusionieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

BILD: Tobias Schwarz/Netzpiloten (CC BY 4.0)

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Netzpiloten.de